Eine Fränkische Erfindung
Das älteste
schriftlich überlieferte Rezept für Nürnberger Lebkuchen
stammt aus dem 16. Jahrhundert und wird im Germanischen
Nationalmuseum aufbewahrt: "1 Pfd. Zucker, ½ Seidlein
oder 1/8erlein Honig, 4 Loth Zimet, 1½ Muskatrimpf, 2 Loth
Ingwer, 1 Loth Caramumlein, ½ Quentlein Pfeffer, 1
Diethäuflein Mehl – ergibt 5 Loth schwer." Aber schon
Jahrhunderte zuvor wurden, wenn auch unter verschiedenen
Bezeichnungen, Lebkuchen gebacken. In einer Handschrift aus
dem 11. Jahrhundert aus dem Kloster Tegernsee ist zum ersten
Mal der „Pfefferkuchen“ erwähnt, eine Vorform des späteren
Lebkuchens, war doch „Pfeffer“ damals der Sammelname für
Gewürze. schlechthin, die man ja für die Lebkuchen
benötigte.
Die eigentliche „Lebküchnerei“
nahm wahrscheinlich in den fränkischen Klöstern ihren
Anfang. Dort wurde die Teigmasse auf eine Oblate gesetzt, um
zu verhindern, dass der Teig auf dem Backblech anklebte. So
wurde ein Backwerk geboren, das schon bald zu den
beliebtesten Spezialitäten zählte und eine rasche
Verbreitung fand. 1296 ist in Ulm der Beruf des „Lebzelters“
urkundlich erwähnt, ein sicherer Hinweis darauf, dass
bereits damals Lebkuchen auch gewerbsmäßig hergestellt
wurden.
Das Wort „Lebkuchen“
findet sich erstmals in einem Zinsbuch aus dem Jahr 1409. Ob
diese Bezeichnung vom altdeutschen Wort „lebbe“ (sehr süß),
vom lateinischen "libum", (Fladen) bzw. vom deutschen „Laib“
abgeleitet ist, darüber sind sich die Fachleute nicht einig.
Zum Zentrum der
Lebkuchenbäckerei entwickelte sich sehr bald Nürnberg. Dies
verdankt die damalige Freie Reichsstadt zwei dafür idealen
„Standortbedingungen“. Zum einen lag sie sehr
verkehrsgünstig am Kreuzungspunkt wichtiger
mittelalterlicher Straßen und entwickelte sich aus diesem
Grund zu einer der bedeutendsten Handelsmetropolen in
Europa. Neben zahlreichen anderen Waren gelangten auf diesen
auch seltene, zuvor unbekannte Gewürze aus dem Nahen und
Fernen Osten - meist auf dem Weg über Venedig - in die Freie
Reichsstadt. Mit ihnen wurde der einfache Honigkuchen oder
Honigfladen immer mehr verfeinert, und bald zeichneten sich
die Nürnberger Lebkuchen durch eine große Würze und Vielfalt
des Geschmacks aus und wurden ihrerseits zu einem begehrten
Handelsgut, das in viele der damaligen europäischen Länder
exportiert wurde. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts waren
Lebkuchen so beliebt, dass der Kaiser den Lebzeltern sogar
die zollfreie Einfuhr ihrer Produkte in 72 Orte des Reiches
verbriefte
Die zweite Grundlage
für die Entwicklung Nürnbergs zur „Lebkuchenstadt“ war die
praktisch unbegrenzte Verfügbarkeit von Honig als
Süßungsmittel. Im Vergleich zum importierten ostindischen
Kolonialzucker war dieser zudem wesentlich billiger.
Geliefert wurde er von den zahlreichen „Zeidlern“. Sie
gewannen ihn in „des Heiligen Römischen Reiches
Bienengarten“, wie der ausgedehnte Reichswald um die Stadt
damals genannt wurde, vor allem in der Gegend um Feucht. So
wurde der Honig bald zum unverzichtbaren Bestandteil der
Nürnberger Lebkuchen und verlieh ihnen ihr besonderes Aroma.
Gebacken wurden sie
von den Lebküchnern und Lebzeltern, einem angesehenen
Berufsstand, der auch in einer eigenen Zunft organisiert
war. Sie arbeiteten nach strengen Vorschriften, welche die
hohe Qualität ihres Gebäcks sicher stellten. Jeder
Lebkuchenbäcker entwickelte aber seine persönlichen
Rezepturen und hütete sie als strenges Geheimnis hütete.
Wegen der hohen Güte ihrer Produkte genossen die Lebküchner
großes Ansehen weit über die Stadtmauern hinaus.
Seit 1996 ist die
Bezeichnung „Nürnberger Lebkuchen“ auch europaweit
geschützt. Sie dürfen ausschließlich im Stadtgebiet von
Nürnberg hergestellt und im Handel nur von September bis
Weihnachten angeboten werden. Definiert sind sie als rundes
oder rechteckiges braunes Weihnachtsgebäck mit einem
Durchmesser von 8 – 10 cm und einer Höhe von 1 – 1,5 cm. Sie
müssen süß schmecken und ein würziges Aroma sowie einen
intensiven Nussgeschmack haben. Bestandteile sind Zucker und
Honig, Eier, Treibmittel, Ölsamen, also Nüsse und Mandeln,
Zitronat, Orangeat, Gewürze, Oblaten und Weizenmehl. Der
Mehlanteil darf jedoch nur gering sein.
Die genaue Rezeptur
lassen diese Vorschriften offen und gewähren damit den
Lebkuchenherstellern Spielraum für zahlreiche Sorten,
Geschmacksrichtungen und Formen. So können vor allem die
Nürnberger Bäcker, die die Lebkuchen noch von Hand formen
und bestreichen, ihr Können beweisen und schaffen wahre
kulinarische Kunstwerke.

„Feinste Elisen-Lebkuchen“
gelten als die
erlesensten unter den Nürnberger Oblaten-Lebkuchen.
In der Lebkuchenmasse müssen mindestens 25% Mandeln
und/oder Haselnüsse und/oder Walnüsse enthalten sein
(andere Ölsamen werden nicht zugesetzt) und dürfen
maximal 10% Getreidemehl oder 7,5% Stärke oder eine
entsprechende Mischung aus diesen Erzeugnissen
enthalten. Ihren Namen erhielten sie der
Überlieferung nach von Elisa, der Tochter eines
Nürnberger Lebzelters, die 1864 starb. Ihr Vater
wollte ihr ein Denkmal setzen, indem er seine
zartesten Lebkuchen nach ihr benannte. |
Schon seit der Erfindung geeigneter Maschinen werden
solche auch für die Produktion von Nürnberger
Lebkuchen eingesetzt, anfangs vor allem Rühr- und
Knetmaschinen. Heute ist die Nürnberger
Lebkuchenindustrie weitestgehend automatisiert.
Trotzdem arbeiten in Nürnberg jährlich etwa 4000
Menschen im Dienst des traditionsreichen Gebäcks.
Tausende von Oblatenlebkuchen laufen pro Minute auf
riesigen Backblechen über die meterlangen
Backstraßen.
Großen Wert legen die Hersteller auf eine
anspruchsvolle Verpackung, darunter vor allem
Lebkuchendosen und -truhen Metall, Holz oder gar
Porzellan mit weihnachtlichen Nürnberger und anderen
Motiven. Jedes Jahr werden sie durch neue „Modelle“
ergänzt, die, von namhaften Künstlern entworfen und
mit klangvollen Namen versehen, auch als
Sammlerstücke sehr begehrt sind.
Kleines Gewürzelexikon |
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